Interview im Personal Manager
Seit Mai 2020 ist Dr. Martin Zieger Präsident des Verbandes „Österreichs Personaldienstleister“, der die Interessen von Zeitarbeit und Personaldienstleistern in Österreich vertritt. Im Gespräch beschreibt der Branchen-Insider, wie die Personalvermittler Imageproblemen begegnen und warum er in wirtschaftlicher Hinsicht Licht am Ende des Tunnels sieht.
Herr Zieger, die Zeitarbeit hat nach wie vor mit Imageproblemen zu kämpfen. Wie gehen Sie als Verband damit um?
Unser Verband hat sich die Aufgabe gestellt, dafür einzustehen, dass die Qualität in der Branche passt. Wir haben immer wieder Mitgliederansuchen von Unternehmen, die wir ablehnen. Das heißt, wir sind sehr streng bei der Aufnahme und überprüfen unsere Mitglieder auch regelmäßig, weil uns ganz wichtig ist, dass ordentlich gearbeitet wird. Arbeitskräfteüberlasser, wie sie von der Hygiene Austria beauftragt wurden (Bei dem Masken-Produzenten kam es Anfang März zu Hausdurchsuchungen aufgrund des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit, Anm. d. Red.), waren nie Mitglied in unserem Verband. Diese Unternehmen agieren auf dem Rücken der Mitarbeiter – und das ist etwas, was wir auf keinen Fall wollen.
Nach welchen Kriterien prüfen Sie die Unternehmen, wenn sie einen Aufnahmeantrag stellen?
Wir haben eine ganze Liste an Kriterien, die wir abfragen und regelmäßig überprüfen. Bei uns sind zum Beispiel Geschäftsführer oder Eigentümer immer auch gewerberechtliche Geschäftsführer. Das heißt, sie haften mit ihrem Privatvermögen für alles, was in der Firma passiert. Wir schauen uns das Eigenkapital an. Firmen, die später in die Schlagzeilen geraten, haben meist kein Eigenkapital, nicht mal das entsprechende Stammkapital. Sie sind damit auch immer wieder sehr schnell vom Markt verschwunden. Dann schauen wir uns die Qualität der Abwicklung an. Wenn eine Firma keine eigene Lohnverrechnung hat, ist das schon sehr fragwürdig. Denn die Lohnverrechnung in der Zeitarbeit ist sehr komplex und aufwändig. Wir rechnen in unserer Branche über 200 unterschiedliche Kollektivverträge ab. Wenn Sie da nicht Profis im Haus haben, kann das nicht klappen.
Die Mitarbeiter haben ja auch Anspruch auf das 13. und 14. Gehalt und diverse andere Leistungen, die müssen natürlich auch korrekt abgerechnet werden. Damit die Qualität unserer Mitglieder hoch gehalten werden kann, schulen wir auch. Wir haben allein 2020 rund 900 Eigentümer, Geschäftsführer und Führungskräfte aus der Branche in 21 Webinaren und Seminaren weitergebildet und über aktuelle Neuerungen informiert
Wie hat sich die Coronakrise auf die Branche der Personalvermittler ausgewirkt?
Die Krise hat viele Betriebe sehr hart getroffen, aber das ist auch verständlich. Denn wir sind ja dazu da, Bedarfsspitzen, starkes Wachstum oder unsichere Zeiten abzufedern. Natürlich trennt sich ein Unternehmen, wenn eine Krise kommt, zuerst von den Zeitarbeitskräften. In normalen Zeiten treffen diese Krisen aber nur einzelne Branchen oder es gibt saisonale Schwankungen. Das können wir ausgleichen. Wenn eine Wirtschaftskrise aber nahezu alle Unternehmen trifft, gehen wir natürlich ganz massiv nach unten. Wir haben 2019 im Jahresschnitt rund 94.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und sind um 20 Prozent runter gegangen auf 75.000. Im April waren wir sogar bei 63.000 Beschäftigten. Davon waren dann noch 25 Prozent in der Kurzarbeit.
Was konnten Sie tun, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten?
Wir haben alles getan, um die Beschäftigten zu halten. Hilfreich war hier die schnelle Einführung der Kurzarbeit. Wir sind fast geschlossen mit den Firmen in Kurzarbeit gegangen, obwohl es für unsere Branche brutal war. Denn wir verdienen ja nur dann, wenn wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in voller Beschäftigung haben. Hinzu kommt, dass die Verwaltung ja trotzdem weiterläuft. Wir konnten in Lohnverrechnung und der Buchhaltung auch niemanden in Kurzarbeit schicken, sondern haben eher noch mehr Leute gebraucht.
Gab es auch Branchen, die von der Krise unbeeinflusst waren?
Natürlich gab es auch einzelne Branchen, die profitiert haben. In meinem Unternehmen habeich zum Beispiel einen großen Waschmittelproduzenten als Kunden, der in der Krise auf Desinfektionsmittel umgestellt hat. Daher war dieses Unternehmen immer gut ausgelastet. Aber die Kfz-Branche, die Flugzeugzulieferer und viele andere Firmen, die von der internationalen Lieferkette abhängig sind, waren extrem betroffen. Denn wenn wichtige Komponenten fehlen, steht die Produktion still.
Wie schauen Ihre Prognosen für die nächsten Monate aus? Mit welchen Szenarien rechnen Sie?
Für das Jahr 2021 prognostizieren wir als Verband, dass unsere Branche noch unter dem Jahr 2019 liegen wird. Doch für 2022 erwarten wir, dass wir wieder das Niveau von 2019 erreichen. Ich persönlich merke, dass die Stimmung zwar noch sehr verhalten ist. Aber die Firmen nehmen wieder Mitarbeiter auf, die Aufträge kommen langsam rein und die Knoten in den Lieferketten haben sich aufgelöst. Ich rechne mit Ende des zweiten und jedenfalls im dritten Quartal mit Wachstumszahlen von vier oder fünf Prozent. Da wird also einiges Erfreuliches auf uns zukommen.
Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, ist Ihre Branche ja gefragt…
Beim Start werden wir die ersten sein, die wieder zulegen. Das ist auch verständlich. Denn wenn eine Firma wieder Aufträge rein bekommt, aber noch nicht sicher ist, wie nachhaltig diese Entwicklung ist, deckt sie ihren Bedarf am Anfang oft durch Zeitarbeitskräfte ab. Wir haben aber ja auch Kunden, die das gesamte Recruiting über uns abwickeln. Das heißt, sie nehmen Mitarbeiter über uns auf und beschäftigen sie über uns sechs oder neun Monate. Anschließend übernehmen sie diese Mitarbeiter und haben dann noch einmal einen Monat Probezeit. Das birgt sowohl für die Firmen als auch für die Mitarbeiter die Chance, den anderen gut kennenzulernen.
Wie häufig werden Mitarbeiter aus der Zeitarbeit von Kundenunternehmen übernommen?
Laut unseren Umfragen schwanken die Übernahmequoten zwischen 20 und 50 Prozent. Das ist insofern schön, als wir mehr als die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom AMS holen und noch mal 30 Prozent aus der sogenannten „Out of Labour Force“ rekrutieren. Das sind Leute, die vorher nicht auf dem Arbeitsmarkt waren. Besonders freue ich mich darüber, dass wir sehr viele Frauen nach der Karenz in Arbeit bringen. Auch Studierende, die nach dem Studium über uns in das Berufslebeneinsteigen, gehören zu dieser Gruppe.
Wie zufrieden sind die Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer mit ihren Jobs?
Wir haben zu dieser Frage eine große repräsentative Studie gemacht. Dazu haben wir Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer, unsere Stammmitarbeiter in der Verwaltung unserer Mitgliedsunternehmen und eine Stichprobe quer durch die arbeitende Bevölkerung befragt. Dabei haben wir gesehen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Zeitarbeit mindestens genau so zufrieden – oder sogar zufriedener – sind. Das lässt sich auch gut erklären. Denn sie haben meist zwei Chefs, die sich um sie kümmern, die Firma vor Ort und uns. Wir vermitteln ihnen einen neuen Job, wenn die aktuelle Firma den Auftrag nicht verlängert. Das schätzen viele sehr. Ein weiterer Punkt, der oft genannt wird: Unsere Leute wissen genau, wann der Arbeitstag endet – und wenn sie länger bleiben sollen, bekommen sie auch jede einzelne Überstunde bezahlt. Denn die Mehrarbeit muss ja mit uns verrechnet werden.
Wie fällt die Zufriedenheit mit der Bezahlung in der Zeitarbeit aus?
Es gibt ja auch seit einigen Jahren das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und einen eigenen Kollektivvertrag, der höher ist als viele andere. 90 Prozent der Zeitarbeitnehmer verdienen aber sogar mehr als unser Kollektivvertrag mindestens vorsieht, weil für unsere Beschäftigten der Kollektivvertrag des Beschäftigerunternehmens gilt, wenn dieser eine höhere Bezahlung vorsieht. Sie profitieren auch von allen weiteren Vergünstigungen, die Firmen für ihre Stammbelegschaft vorsieht. Diese Regelungen sind auch international gesehen vorbildlich.
Interview: Bettina Geuenich
Hier kommen Sie zum Blogbeitrag: Zeitarbeit in der Krise: Erfreuliches am Ende des Tunnels (personal-manager.at)
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